Happy Birthday Data Saves Lives DE!

Als ich vor einem Jahr endlich das Go mit dem Bescheid zur Förderung vom Gesundheitsministerium erhielt, lag ein langer Weg hinter mir. Bereits 2021 im Sommer hatte ich damit begonnen herauszufinden, wie ich Data Saves Lives nach Deutschland bringen konnte. Ich war seit 2019 im Team DSL-EU und nach viel Recherchen, Analysen und Interviews, die ich auf Kongressen und Veranstaltungen führte, auf denen ich als Expertin eingeladen war, war klar: Deutschland braucht Data Saves Lives.

Es gab drei Gründe dafür:

  1. Das Thema Gesundheitsdaten war niemandem wirklich bekannt oder so bewusst.

  2. Informationen und breite Kommunikation waren dürftig, nur in den Expertenkreisen diskutierte man das Thema äußerst aktiv.

  3. Die Vorteile, die sich ergeben, wenn man Gesundheitsdaten teilt, waren klar für mich. Ich lebe mit Multiple Sklerose und habe aus eigener Erfahrung über 18 Jahre Leben mit MS durchaus mitbekommen, wie Daten helfen können, wenn man sie teilt.

Ich bemerkte, wie schwer man sich mit dem Thema tat. Entweder es gab die seit Jahren geführte, mittlerweile ziemlich abgenudelte Datenschutzdiskussion die sich häufig im Kreis dreht oder es gab viele Gerüchte, Vorurteile und Hörensagen.

Alles lösen? Geht nicht, aber die Diskussion anschieben schon!

Ehrlich, ich will mir nicht anmaßen, dass alles ausräumen zu wollen, das kann ich nicht. Überzeugen zu wollen ist auch kein Ziel, aber was möglich war und ist, ist das Thema und die Zusammenhänge öffentlich zu diskutieren, zu informieren, neutral, unabhängig und so, dass andere Menschen damit beginnen, sich mit dem Thema zu befassen, Fragen zu stellen und sich darüber informieren. Das alleine ist eine Herausforderung. Weniger bei Menschen mit Erkrankungen, da gibt es jede Menge Menschen, die ihre Daten sofort teilen würden, weil ihnen klar ist, dass Heilung oder bessere Behandlung nur möglich ist, wenn wir mehr über Erkrankungen wissen. Es waren vielmehr die, die das Thema nicht auf dem Schirm haben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es ähnlich gerne vermieden wird wie Diskussionen über eine Patientenverfügung oder das Testament.

Bedrohlich? Nein. Bescheid wissen hilft!

Dabei ist es nicht so bedrohlich wie man denkt. Gesundheitsdaten können, sicher verwaltet, sinnvoll verwendet vielen Menschen helfen. Sei es in der Forschung, Versorgung aber auch wenn es um Vorsorge geht. Dabei geht es nicht darum Menschen auszuspionieren. Dafür gibt es Methoden, damit das nicht passiert. Es geht darum mehr zu wissen, was Erkrankungen oder auch die öffentliche Gesundheit betrifft. Dass es dabei nicht immer ausreichend ist, nur im eigenen Land mit Daten zu arbeiten, sondern Daten in Europa zu teilen oder gar weltweit ist klar. Andere Länder haben andere Daten, werden sie nutzbar gemacht, erweitert das den Horizont und die Möglichkeiten. Daher hat auch die Europäische Union die Entwicklung des „European Health Data Space“ den europäischen Gesundheitsdatenraum ins Leben gerufen und setzt ihn jetzt um. Auch dafür arbeiten wir in Deutschland mit. Denn dafür wurde das Gesundheitsdatennutzungsgesetz ins Leben gerufen, das jetzt entwickelt wird. Wir haben sozusagen daran mitgearbeitet und dazu eine Stellungnahme verfasst und uns dabei auf Themen konzentriert, die wir in anderen Stellungnahmen nicht sahen und die wir aber klar wichtig finden.

Ein Beispiel, wenn es um Gesundheitsdaten geht sind Frauen.

2030 werden, so Schätzungen zufolge 47 Millionen Frauen weltweit in der Menopause sein. [1] Wir wissen aus verschiedenen Erkrankungsfeldern, dass Frauen immer noch quasi unerforschtes Neuland sind. Studien, gerade „First in Human“ Studien, also wenn ein neues Medikament zum ersten Mal an Menschen getestet wird, werden mit Männern durchgeführt, Frauen bleiben hinten an[2].  Es liegt in der Natur der Dinge, dass wir zu wenig Daten darüber haben, was Frauen generell und, um auf mein Beispiel zurück zu kommen, in der Menopause benötigen, auch besonders, wenn sie mit chronischen Erkrankungen leben. Ich muss zugeben, ein bisschen biased bin ich hier schon, ich lebe mit MS und die Menopause droht, aber so erlebe ich selbst täglich live was nötig ist: Daten. Und ich wüsste gerne mehr. Allerdings kommt das Thema erst langsam in Schwung, erste Daten kamen übrigens aus dem Ausland.

[1] https://www.bzfe.de/fileadmin/resources/import/pdf/eif_2011_10__wechseljahre_frau.pdf

[2] https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/mensch/ungleichbehandlung/medikamente-1071292

Ein anderer Punkt ist Vorsorge, während der Corona Pandemie haben wir alle selbst erlebt, was passiert, wenn kein Plan N wie Notfallplan existiert. Man irrt richtungslos durch die Gegend und hofft auf Unterstützung. Es ist unheimlich schwierig zu entscheiden, was nächste Schritte sind. Wir bekamen Daten aus anderen Ländern und viele Menschen mit Erkrankungen fühlten sich völlig allein gelassen vom System.

Zwei Beispiele, die zeigen, was sein könnte. Und gleichzeitig nur zwei Löcher von unzähligen weiteren, die bis heute nicht richtig gestopft werden. Weil Daten fehlen. Löcher, die Geld kosten, was auch beweisbar ist. Weil Fehler passieren, die man ab und an, hätte man einige Datensätze verfügbar, vielleicht vermeiden kann. In Zeiten wie diesen, in denen Gesundheitssysteme ohnehin knappe Budgets haben wäre das sicher hilfreich.

Lasset die Gespräche beginnen oder wie man aus der Theorie in die Realisierung kommt!

Gründe genug, um mich im Sommer 2021 in Gespräche zu begeben, mit dem European Patients Forum, dem Betreiber von Data Saves Lives, dem Bundesgesundheitsministerium und mit den Steuerbehörden, als ich extra für DSL DE eine gemeinnützige GmbH gründen musste. Es waren teils zähe Verhandlungen, unzählige Stunden mit Erklärungen und auch das Schreiben eines Antrages für die finanzielle Förderung war keine Kleinigkeit. Alles in allem waren es neben Zusatzkosten, die ich hatte, ca. unbezahlte 280 Stunden, die ich damals aufgewandt habe, um das Projekt zu realisieren. Jetzt könnte man sagen, hey, du hast es so gewollt und ja, stimmt: Ich wollte es so und ich hab’s gemacht, weil ich davon überzeugt war, dass es richtig ist. Bin ich bis heute.

Am 1. September war es soweit, mit 9 Monaten Verspätung und einer Förderung vorerst für 4 Monate, also bis 31.12. 2022 ging es los. Ich holte Ihno Fokken an Bord, er hilft DSL DE einmal mit seiner Expertise in Sachen Kommunikation mit seinem Unternehmen, der Friesischen Freiheit und auch ehrenamtlich unterstützt er das Projekt sehr und ich finde es klasse. Im November gingen wir Online und bereits im Dezember gingen wir mit einer ersten Online Session zu Euch und fingen an, über Gesundheitsdaten zu reden.

Ihno über DSL DE:

Ein Jahr Data Saves Lives DE und ich freue mich, dass wir als Friesische Freiheit vom ersten Tag des Live-Gangs mit an Bord sind. Aufklärungsarbeit zu leisten, ist meistens eine Sisyphos-Arbeit, aber gemeinsam glauben wir daran, dass Offenheit und Respekt in der Diskussion rund um das Teilen von Gesundheitsdaten, die entscheidende aufklärerische Haltung darstellt.

Nach einem Jahr können wir aufgrund des Feedbacks, der Teilnahmen an unseren Webinaren, aber auch dem tagtäglichen Austausch auf unseren Social-Media-Kanälen festhalten, dass diese Haltung funktioniert. Wir lernen durch diesen Austausch immer mehr, worauf es ankommt, um Selbsthilfe mit diesem sehr komplexen Thema zu befähigen.

 Wir werden auch weiterhin das Projekt auf den Social-Media-Kanälen unterstützen, zu Webinaren einladen und diese moderieren, weil wir erst angefangen haben und noch einen längeren Weg vor uns haben.

DSL DE heute:

Heute ist Data Saves Lives Deutschland immer noch die einzige Initiative, die über Gesundheitsdaten spricht. Wir sind gemeinnützig und haben seit 1.2. bis 31.12. diesen Jahres noch eine weitere Förderung vom BMG erhalten. Der Januar ging auf uns. ;-)

 Wir sind keine typische Patientenorganisation, wir sind aber Patienten getrieben. Alle, die mit uns arbeiten, leben entweder mit einer Erkrankung, sind pflegende Angehörige oder haben einen medizinischen Hintergrund. Uns verbindet: Gesundheitsdaten und das Interesse daran. Wir wollen das Thema verbreiten, darüber diskutieren, wir schauen hin und agieren auch einmal kritisch, wenn es nötig wird. Man findet uns bei Veranstaltungen wie der DMEA, Data for Health, verschiedenen Summits, in anderen Webinaren und vielen mehr. Ganze 11 Veranstaltungen, 3 Online Sessions und Unmengen von Inhalten haben wir bis Juli 2023 entwickelt und publiziert. Zudem haben wir eine Analyse gemacht und arbeiten jetzt an unserer ersten Publikation, die neben einer Auswertung auch Informationen und Tools enthalten wird, die Patienten und Patientenorganisationen nutzen können, um das Thema Gesundheitsdaten zu diskutieren.

Alles in allem, sehr viel Arbeit, viele ehrenamtlich geleistete Stunden, jede Menge Enthusiasmus, Einsatz und Motivation um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir sehen erste Begeisterung und erhalten Fragen. Gesundheitsdaten sind ein umfangreiches Thema, es zu verstehen braucht Experten, die uns dabei unterstützen, es verständlich zu erklären. Wir sind Grenzgänger, was Ressourcen betrifft aber auch was Themen betrifft. Es ist wichtig für uns, nicht statisch zu sein oder stehen zu bleiben, sondern agil und flexibel auf die zu reagieren, die das aus machen, was kontinuierlich wächst. Die DSL DE Community.

Was wir uns wünschen? Noch mehr Community, klar oder? Aber auch Unterstützung, engagierte Menschen, die uns helfen DSL DE noch weiter zu entwickeln und dabei mitmachen, das Thema Gesundheitsdaten noch breiter in die Öffentlichkeit zu bringen. Wir können jetzt nicht aufhören, weil wir auf einem guten Weg sind. Den zu unterbrechen, wäre ein Fehler. Einer, den wir, ich meine alle, uns nicht leisten können.

Das Teilen von Gesundheitsdaten ist eine gesellschaftliche Frage

Es geht darum, informiert zu handeln und aktiv mitzugestalten. Am Gesundheitssystem und der digitalen Zukunft in Deutschland. Die hat längst begonnen und wir sollten endlich anfangen mitzureden, damit das was passiert im Sinne der Gesellschaft ist und nicht von einigen wenigen Experten entschieden wird.

Daher: Weitermachen! Happy Birthday DSL Deutschland!

Gesundheitsdaten – Wir reden darüber! Data Saves Lives Deutschland!

 Birgit