ePA = gemeinschaftliche Nutzung = maximaler Nutzen oder maximaler Aufwand?

Mark Langgut - Bild privat

Mark Langgut, Bild: privat

Die elektronische Patientenakte kommt. Daran ist nichts mehr zu rütteln. Der Stichtag ist der 15. Januar 2025 und dann gibts die ePA für alle.

Doch was heißt das jetzt? Wie damit umgehen? Fragen über Fragen gibt es jetzt schon und an vielen Stellen gibt es entweder viel Informationsbedarf oder auch Unmut, was die technische Gestaltung der kommenden ePA betrifft.

Daher ist es uns eine große Freude, dass Mark Langguth, ein ausgewiesener Experte in Sachen ePA für uns einen Blogpost geschrieben hat.

Mark Langguth ist freier eHealth-Berater und ePA-Experte.

Austausch zu allen Themen rund um ePA, eRezept und TI unter https://www.ti-community.de/.

Vielen Dank an Mark Langguth vom Team DSL DE

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine versichertengeführte elektronische Akte“ (§ 341 Abs. 1 SGB V).

Oh je, das klingt nach Aufwand und danach, dass nur erfahrene und informierte Patienten ihre ePA führen können und somit auch nur diese in den Genuss einer besseren Versorgung durch besser informierte Ärzte, Apotheker und Therapeuten durch die ePA kommen.

Doch zum Glück ist das nicht so!

Die ePA ist die gemeinschaftliche Akte des Versicherten mit all seinen ihn behandelnden, pflegenden und medizinisch betreuenden Akteuren, also dem eigenen medizinischen Team, wie ÄrztInnen oder PhysiotherapeutInnen.

Nur in der juristischen Formulierung versichertengeführt

Im Gesetz steht zwar, dass die ePA eine versichertengeführte Akte, also eine vom Versicherten selbst verwaltete Akte, sei. Doch das hat allein juristische Gründe und spiegelt nicht das wahre Wesen der ePA wider. Wäre es so, müssten bei jeder ePA bei jedem Zugriff einer Arztpraxis, einer Apotheke oder einer Klinik immer die Versicherten entscheiden, ob sie oder er diesen Zugriff zu diesem Zeitpunkt zulassen möchte. Eine Person müsste über jedes Dokument und jedes Datum, welches in die ePA eingestellt oder aus ihr gelesen werden soll, entscheiden, ob er oder sie dies zu diesem Zeitpunkt für diese Einrichtung gerade möchte. Auch wenn die Person 40°C Fieber hat – oder bewusstlos ist. Es gab am Markt viele rein patientengeführten Akten. Wenig überraschend haben sich diese nicht durchgesetzt.

Nicht arztgeführt

Die ePA ist aber auch keine klassische arztgeführte Akte, denn das hieße, dass ausschließlich Ärzte, Apotheker oder auch Therapeuten über die Inhalte in der ePA entscheiden würden. Damit hätten die Versicherten keine Eingriffs-, Beteiligungs- und Steuerungsmöglichkeit.

Die gemeinschaftliche Akte

Die ePA wurde vielmehr mit dem Gedanken und Ziel konzipiert, einen Nutzen für alle Bürger und Bürgerinnen zu haben, unabhängig davon, ob sie IT-affin sind und unabhängig davon, ob sie sich um ihre Gesundheitsversorgung auch selbst bemühen wollen – oder können. Die ePA soll für alle die Versorgung verbessern, unabhängig davon, ob sie sich an der ePA selbst beteiligen wollen oder können.

Diesen Gedanken weiterspielend, wird die ePA in 2025 von Opt-In auf Opt-Out umgestellt, sodass wirklich alle gesetzlich Versicherten die Vorteile einer ePA haben können, ohne dass er oder sie aktiv werden muss. Wichtig zu wissen ist aber auch, jeder, der keine ePA möchte, muss auch keine haben.  Bei den privat Versicherten entscheidet die jeweilige Versicherung, ob sie ihren Versicherten eine ePA anbietet oder nicht.

Gleichzeitig soll die ePA aber auch die Patientensouveränität stärken, d.h. dass Patienten entscheiden können, nicht müssen, ob eine Arztpraxis zugreifen auf ihre ePA zugreifen darf oder nicht.

Ferner sollen Patienten in ihren Beteiligungsmöglichkeiten unterstützt werden. Sie sollen einfach Einsicht in ihre medizinischen Daten und Dokumente haben und damit auch die Möglichkeit haben, gemäß den von vielen Patientenvertretern geforderten „shared – decision – making“ Prozessen und auch im „Patient Empowerment“, sich selbst aktiv in ihre eigene Versorgung und Behandlung einbringen können.

Schlussendlich sollte die ePA auch die Position der Millionen familiär Betreuenden und Pflegenden verbessern, in dem diese für die betreute Person Einsicht in die medizinischen Dokumente nehmen und selbst dokumentieren können.

Daher wurde die ePA entlang 3 Nutzungsszenarien konzipiert und entwickelt:

Bildquelle: Mark Langguth / langguth.digital

In der neuen „ePA für alle“ sind Ärzte, Therapeuten und Kliniken verpflichtet, die wichtigsten Dokumente wie Laborbefunde, Arzt- und Entlassbriefe immer in die ePA einzuspielen, außer der Patient widerspricht im Einzelfall.  Alle per eRezept verordneten und abgegebenen Medikamente werden automatisch in die ePA in die dortige elektronische Medikationsliste (eML) übertragen. Damit entsteht eine zentrale Übersicht über alle wichtigen medizinischen Dokumente, die PatientInnen während ihrer Behandlung erhalten. Bereits ab Mitte 2025 wird zudem der elektronische Medikationsplan (eMP) folgen. Kurz darauf wird recht bald auch die Patientenkurzakte, eine Art strukturierter Überblick über den medizinischen Zustand einer Person in der ePA folgen.

1. Transparenz und Beteiligungsmöglichkeit

Diesen Fundus an Dokumenten und Daten können Versicherte in ihrer ePA auch selbst einsehen. Ein echter Fortschritt im Bereich der Transparenz für Patienten.

Kopien von Arztbriefen oder Untersuchungsergebnissen müssen nicht mehr extra in den Arztpraxen angefordert werden, sie stehen automatisch in der eigenen ePA bereit. Damit haben Patienten die Möglichkeit, sich selbst einfacher mit ihren Erkrankungen zu befassen. Wer möchte, kann sich über die ePA auch aktiv in die eigene Versorgung einbringen. Beispiele dafür sind z.B. durch die Fotodokumentation einer Wunde oder durch medizinische Tagebücher (Blutdruck-, Migräne-, Schmerztagebuch etc.).

Durch die Option familiären Vertretern Zugriff auf die eigene ePA zu gewähren, wird diese Transparenz und Beteiligungsmöglichkeit auch in den Betreuungssituationen wie die der Eltern von Kindern, der Betreuen des eigenen Partners sowie der eigenen Eltern, ermöglicht.

2. Einfacher digitaler Austausch mit dem Arzt

Dadurch, dass sowohl Patienten als auch ihre Ärzte, ihre Apotheker oder auch ihre Therapeuten, Zugriff auf dieselbe Akte haben, können sie einfach im Arzt-Patienten-Gespräch Dokumente austauschen bzw. auf Dokumente in der ePA verweisen. Der Hinweis eines Patienten auf einen Besuch bei einem anderen Arzt, kann der Arzt beispielsweise zum Anlass nehmen, um nach einem entsprechenden Laborbefund oder Arztbrief in der ePA zu schauen, ohne diesen beim Kollegen umständlich anfragen zu müssen. Aber auch die einfache Einsicht des Arztes in die durch die Patienten selbst bereitgestellten Daten und Dokumente (Wunddokumentation, Schmerztagebuch etc.) vereinfacht den Austausch und ermöglichen Patienten eine aktivere Rolle, die oft gewünscht ist.

3. Verbesserung der Informationslage aller Behandelnden

Patienten müssen nicht aktiv werden, wenn sie das nicht möchten oder können. Auch wenn sich eine Person überhaupt nicht mit seiner eigenen ePA beschäftigt, vielleicht kein Smartphone hat, trägt die ePA zu einer Verbesserung der Informationslage der behandelnden Ärzte, Therapeuten, Apotheken und Pflegenden und somit zu einer potentiell besseren Versorgung bei.

Heute liegen die Daten aus einer Behandlung (Laborwerte, radiologische Aufnahmen, Medikationspläne etc.) jeweils in der lokalen Akte der jeweiligen Einrichtung, wie zum Beispiel eines Krankenhauses. Damit weiß Arzt B nicht, was Arzt A geprüft oder verordnet hat. Therapeut D ist nicht darüber informiert, was Therapeut C gemacht oder Arzt D zum gleichen Sachverhalt bereits festgestellt hatte. In Deutschland ist jede medizinische Einrichtung immer noch ein Informationssilo. Dabei geht es doch einrichtungsübergreifend immer um dieselbe Person. Mit der ePA werden diese Informationssilos nun endlich verknüpft. Damit müssen Ärzte, Therapeuten und Pflegende weniger fragen, weniger suchen und weniger „hinter telefonieren“, sondern können einfach in den Informationsfundus der ePA schauen. Das spart dem medizinischen Personal Zeit für Informationsbeschaffung und verbessert die Informationslage der Mediziner für eine noch bessere Versorgung.

Eben gemeinschaftlich

Man sieht also, die ePA ist auf eine gemeinschaftliche Nutzung durch alle ausgerichtet, die sich im Interesse eines Patienten oder einer Patientin um deren medizinische Versorgung kümmern. Versicherte können sich dabei so viel oder so wenig um die eigene ePA kümmern, wie sie möchten. Es ist möglich, Dritte aus dem Familien- und Freundeskreis hinzuziehen, die hier unterstützen könne. Alle Ärzte, Apotheker, Therapeuten und Pflegende, die sich um eine Person kümmern, können ebenso die ePA für die Versorgung nutzen, soweit die Person dies zulassen möchte. Gemeinschaftlich eben. Zum Wohle der Patienten und Versicherten.

 

Dieser Artikel ist ein Gastartikel, das heißt, er spiegelt die Meinung und Gedanken des Autoren wieder.

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