Als Gründerin von Data Saves Lives werde ich immer wieder gefragt, warum ich das Risiko und die Aufgabe übernommen habe, Data Saves Lives von Europa nach Deutschland zu holen.
Es liegt zum einen an meiner persönlichen Geschichte.
Ich lebe seit mehr als 18 Jahre mit MS auch bekannt als Multiple Sklerose. Als ich 2005 die Diagnose bekam, bekam ich nur die nackte Auskunft, die mich total panisch werden ließ, aber da war keine Information. Ich befand mich in der Informationswüste und das war nicht akzeptabel.
Wenn ich schon so eine seltsame Erkrankung am Hals hatte, wollte ich Bescheid wissen. Von Erfahrungen anderer profitieren und bestmögliche Versorgung erhalten. Gut, damals gab es nicht viel. Ungefähr fünf gruselige Therapieoptionen, die ich mir per Nadel in den Körper rammen konnte, die man mir mit einer mageren Broschüre vor die Nase klatschte und gut war es. Die Ärzte hatten damals nicht damit gerechnet, dass ich in dem Moment, in dem ich vom Mensch zur Patientin wurde, Widerspruch einlegen und protestieren würde. Und mein Protest war einfach: Sag mir die Daten und Details und ich entscheide mich. Aber ohne Info geht da gar nichts. Das gefiel nicht allen. Ich war und bin bis heute unbequem.
Aber: Gott sei Dank hat sich das über die Jahre etwas verändert. Wir haben, dank Forschung und etwas mehr Daten derzeit an die 20 Therapieoptionen für MS und nicht alles muss man sich per Nadel in einen Muskel oder den Bauch injizieren. Wir wissen weit mehr über MS als noch zu meiner Anfangsphase, wo ich mir die Informationen von Patienten Websites aus England zusammen sammelte und mich in den USA via Internet informierte und anfing zu lernen.
Ich lernte viel. Über MS, aber auch darüber, was Digitalisierung und Gesundheitsdaten bewirken können, bohrte mich in Expertenkreise und lerne bis heute immer noch dazu.
Was mich aber zum Warum führt. Oder dazu, warum ich DSL einfach machte …
Die Welt, unsere eigene Welt aber die gesamte Welt ändert sich. Wir befinden uns in einem umfangreichen Prozess, der spannender aber auch anstrengender nicht sein könnte. Weil wir täglich mit teilweise sehr verstörenden Informationen überflutet werden, die wir nicht verstehen. Wir tun uns schwer damit, die ständig größer werdende Infodemie einzuordnen und Informationen in gut und schlecht grob einzuschätzen. Und weil wir schlicht überfordert sind. Dabei brauchen wir Informationen, um uns für oder gegen etwas zu entscheiden oder nachzufragen, ob wir noch mehr Input bekommen können. Informationen, besonders die guten, entstehen aus Daten. Je besser ein Datensatz ist, desto besser die Information.
Es ist an sich ein einfaches Prinzip und als ich vom European Patients Forum im Jahr 2019 eingeladen wurde, als Beraterin im so genannten editorial board von Data Saves Lives EU, also dort, wo Inhalte geprüft und diskutiert werden, aktiv zu werden, habe ich zugesagt. Das Projekt war spannend und es von Anfang an aktiv mitzugestalten, war verlockendund mehr als inspirierend. Denn klar war: Egal wo Patienten und Bürger, auch Patientenorganisationen müssen Informationen zum Thema Gesundheitsdaten haben. Zum einen um gut zu entscheiden und nicht nur „Ich bin dagegen“ zu schreien, sondern fundiertes Wissen zu haben, das hilft richtig zu entscheiden und zum anderen um zu informieren und andere zu ermutigen und zu befähigen, sich dem Thema zu nähern.
Und ehrlich, warum sollte es in Deutschland anders sein?
Es war nicht anders, das ergab eine Recherche, die ich über Jahre immer wieder durchführte. Ich sah den Bedarf und brachte das auf die Podien, in denen ich oft saß und sitze. Egal ob in Europa oder in Deutschland. Ich brachte es auf den Tisch. Und man diskutierte mit mir, aber es passierte mir zu wenig.
Wenn wir jetzt nicht anfangen zu informieren, verpassen wir den Zug, dachte ich. Gerade was Digitalisierung und eben das Teilen von Gesundheitsinformationen betrifft, müssen wir die Menschen dazu holen, mit ihnen sprechen und ihre Stimme einsammeln und transportieren, damit die Entscheider wissen, was los ist.
Die Idee hatte mich bereits in Aktion gebracht, ohne dass ich das zuerst merkte, aber als ich 2021 bei einem Workshop im Bundesgesundheitsministerium als Expertin eingeladen war und den Teilnehmern zuhörte, war klar: DSL muss nach Deutschland und ich wagte das größte Projekt ever. Ich verhandelte, recherchierte, beantragte Fördergelder und suchte mir Menschen, die mich unterstützen würden. Weil ich der Meinung bin, dass wir nur Entscheidungen für oder gegen das Teilen von Gesundheitsdaten treffen können, wenn wir wissen, was wir tun.
Heute, etwas mehr als halbes Jahr, nachdem wir DSL DE gelauncht haben, wissen wir, dass der Bedarf groß und das Thema für viele eine Black Box ist. Und ich verstehe das, es ist unheimlich schwierig und sperrig. Informationen gab es vor uns nicht wirklich, wir sind mit DSL DE das einzige deutsche Projekt, dass das Thema deutlich kommuniziert und sich dafür einsetzt, dass Daten sichtbar und hörbar werden. Und mein Team und ich tun das mit Begeisterung, weil wir es wichtig finden.
Wer gut informiert ist, weil er gute Daten bekommen hat, entscheidet besser.
Und wer mag es nicht gut zu entscheiden, gerade wenn man krank ist?
Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, aufgrund einer guten Datenlage nächste Schritte gehen zu können und sich nicht, wie ich damals, 2005 quasi im Blindflug vorwärts tasten zu müssen.
Es geht uns nicht darum, alle zu überzeugen. Das klappt ohnehin nicht. Realistisch betrachtet. Aber wir können informieren, diskutieren und die ungehörten Stimmen da draußen aufnehmen und dort hörbar machen, wo sie gehört werden müssen.
Weil Gesundheitsdaten ein gesellschaftliches Thema sind. Und das betrifft uns alle!
Lasst uns über Gesundheitsdaten sprechen! Jetzt!
Herzlichst,
Birgit