Zwischen Vertrauen und Versorgung: Erkenntnisse aus der OECD-PaRIS-Studie

Die OECD-Studie "Does Healthcare Deliver? Results from the Patient-Reported Indicator Surveys (PaRIS)" untersucht die Qualität der Gesundheitsversorgung aus der Perspektive der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen. Ich habe die Studie erstmalig im Jahr 2023 kennenlernen können und fand sie sehr spannend, schon wegen der Datenlage, die hier quasi "drin" steckt.

PaRIS steht dabei für Patient-Reported Indicator Surveys

– eine Initiative der OECD, die den Fokus bewusst auf die Erfahrungen und Einschätzungen der Menschen legt, die Gesundheitsversorgung nutzen. aus der Perspektive der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen. Sie wurde als Teil der PaRIS-Initiative ins Leben gerufen, die seit 2017 darauf abzielt, international vergleichbare Daten zur patientenorientierten Versorgung zu sammeln. An der Erhebung nahmen über 107.000 Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen aus 1.800 Primärversorgungseinrichtungen in 19 Ländern teil. Die Studie konzentriert sich auf Personen ab 45 Jahren mit chronischen Erkrankungen und bietet wertvolle Einblicke in die Erfahrungen der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen sowie bestehende Herausforderungen in den Gesundheitssystemen der teilnehmenden Länder.

Teilnehmende Länder

Die PaRIS-Umfrage wurde in 19 Ländern durchgeführt. Deutschland zählte ebenso wie Länder wie Österreich, Irland oder Finnland nicht zu den teilnehmenden Ländern. Auch wenn keine Gründe in der Studie genannt werden, stellt dies eine interessante Leerstelle dar – insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit, die eigene Versorgung im internationalen Kontext datenbasiert einzuordnen. Die in der Studie untersuchten Länder lieferten wichtige Erkenntnisse über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Gesundheitsversorgung. Zu den teilnehmenden Ländern gehören:

  • Belgien

  • Dänemark

  • Estland

  • Frankreich

  • Israel

  • Italien

  • Japan

  • Kanada

  • Kroatien

  • Lettland

  • Luxemburg

  • Niederlande

  • Portugal

  • Schweden

  • Slowenien

  • Spanien

  • Tschechische Republik

  • Ungarn

  • Vereinigtes Königreich

Erwähnte Erkrankungen

Die Studie fokussierte sich auf Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen mit chronischen Erkrankungen, insbesondere auf:

  • Diabetes – eine der häufigsten chronischen Stoffwechselerkrankungen

  • Herzkrankheiten – einschließlich verschiedener kardiovaskulärer Leiden

  • Atemwegserkrankungen – wie chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)

  • Arthritis – eine entzündliche Erkrankung der Gelenke

Zentrale Ergebnisse

  • Multimorbidität: Über 50 % der befragten Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen leben mit mehreren chronischen Erkrankungen. Dies verdeutlicht die Komplexität der Patientenbedürfnisse und die Notwendigkeit einer koordinierten Versorgung.

  • Patientenvertrauen: Etwa 40 % der Befragten äußerten mangelndes Vertrauen in ihr Gesundheitssystem, was auf Defizite in der Wahrnehmung der Versorgungsqualität hinweist.

  • Gesundheitskompetenz: Rund 36 % der Befragten gaben an, sich unsicher im Umgang mit ihrer eigenen Gesundheit zu fühlen und benötigen bessere Unterstützung.

  • Versorgungsqualität: Zwischen den Ländern bestehen Unterschiede in der Qualität der Versorgung, was auf Ungleichheiten im Zugang und in der Behandlung hindeutet. Beispielsweise berichteten in den Niederlanden 86 % der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen, dass sie in der Primärversorgung genügend Zeit mit ihrem Arzt verbringen, während dieser Wert in anderen Ländern wie Portugal bei nur 60 % lag. Dies zeigt signifikante Unterschiede in der Wahrnehmung der Versorgungsqualität und Patientenbetreuung.

Ergänzend zeigt eine Gegenüberstellung von Gesundheitsausgaben pro Kopf und dem subjektiven Wohlbefinden (WHO-5), dass einige Länder bemerkenswerte Ergebnisse mit vergleichsweise geringem Ressourceneinsatz erzielen. So erreichen beispielsweise die Niederlande und die Schweiz ein überdurchschnittliches Wohlbefinden bei relativ effizientem Mitteleinsatz.

Screenshot aus der OECD PaRIS Studie

Herausforderungen und Probleme

  • Mangelndes Vertrauen: Laut der Studie haben rund 40 % der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen kein Vertrauen in ihr Gesundheitssystem, was auf strukturelle Defizite und mangelnde Transparenz in der Versorgung hinweist.

  • Unzureichende Gesundheitskompetenz: Laut der Studie haben 36 % der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen Schwierigkeiten, ihre Erkrankung selbstständig zu managen, und benötigen zusätzliche Unterstützung in Form von Beratung oder Informationsangeboten.

  • Komplexe Patientenbedürfnisse: Die Zahl multimorbider Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen ist in den letzten Jahren gestiegen, wobei aktuell über 50 % der befragten Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen unter mehreren chronischen Erkrankungen leiden. Dieser Anteil hat sich im Vergleich zu früheren OECD-Erhebungen erhöht, was die Notwendigkeit einer stärker koordinierten und patientenzentrierten Versorgung unterstreicht.

  • Qualitätsunterschiede: Die Studie zeigt große Schwankungen in der Versorgungsqualität zwischen den teilnehmenden Ländern. Beispielsweise gaben in Schweden 75 % der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen an, dass sie innerhalb eines Tages einen Termin bei ihrem Hausarzt erhalten, während dieser Wert in anderen Ländern wie Spanien nur bei 45 % lag. Solche Unterschiede beeinflussen die Patientenzufriedenheit erheblich und zeigen Verbesserungspotenzial in der Organisation der Versorgung.

Die Studie offenbart auch geschlechtsspezifische Unterschiede. In fast allen teilnehmenden Ländern berichten Frauen von etwas weniger positiven Erfahrungen mit der Primärversorgung als Männer. Island und Italien zeigen hier die deutlichsten Differenzen.

Screenshot aus der PaRIS Studie OECD 2025

Fazit

Die PaRIS-Studie liefert wertvolle Erkenntnisse über die Gesundheitsversorgung aus Sicht der Menschen mit gesundheitlichen Herausforderungen. Sie betont die Notwendigkeit, das Vertrauen in die Gesundheitssysteme zu stärken, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu fördern und eine stärker patientenzentrierte Versorgung zu etablieren.

Dass Deutschland an dieser Studie nicht teilgenommen hat, könnte durchaus eine verpasste Gelegenheit sein. Auch wenn wir seit Jahren viel Arbeit bewältigen, handelt es sich hier doch auch um Gesundheitsdaten und Daten, die uns im Hinblick auf die Förderung der Gesundheitskompetenz und eine fundierte öffentliche Diskussion helfen könnten, Dinge anders zu betrachten oder auch neu zu denken.

Gerade der internationale Vergleich könnte hier inspirierend sein. Nur wer vergleicht, kann verstehen – und nur durch Verstehen lässt sich das Vertrauen aufbauen, das wir für einen dringend notwendigen Kulturwandel im Gesundheitswesen und gerade in der Bevölkerung hinsichtlich einer besseren Prävention und auch in Sachen Digitalisierung notwendig brauchen.

Quellen und weiterführende Informationen